Ausstellung, Fotografien, Werkgruppe
 

Holgas Auge, 2007 – Implodierende Bilder

Es sind drei ganz unterschiedliche Werkgruppen, die Francisco Paco Carrascosa in dieser Ausstellung «Holgas Auge» versammelt. Auf Anhieb würde man kaum vermuten, dass sie alle von demselben Künstler stammen. Doch wer sich auf diese Bilder einlässt, wird etwas Gemeinsames erkennen, das über die Erscheinungsform hinausgeht: eine latente Spannung, eine vibrierende Stimmung zwischen den Polen zart und aggressiv, warm und kalt, heiter und melancholisch.

«Und Spanien?: der Strand, Strandgut, Menschengut, Abfallgut, Spielzeug: grösser als klein, Kindheit ferner als fern, Soldatenspiele näher als nah, mehr Spiel als nur Spiel — kein Spiel mehr. Transformierte Alltagsgegenstände. Der reale Abfall-Spielzeug-Soldat aus extremster Perspektive kippt zum «Beach Soldier», mutiert zu bedrohlicher Hyperrealität.»

Theo Umhang

«Holgas Auge», 2007: Beach Soldier und Strandfundstücke, 5 Bilder: Glühbirne, Wasserflasche, Strandkrieger 1–3, 2007, je 39 x 39 cm


«Holgas Auge», 2007: 120 Bilder, je 23 x 22 cm


Ausstellungsansichten «Holgas Auge», 2007 und «weisser als weiss», 2007: 3 Werkgruppen, Fotografien

Ausstellungsansicht «Holgas Auge», 2007: Alltag, Beach Soldier & Strandfundstücke; «weisser als weiss»: Glas Wasser, Espresso-Tasse, 2007


DE

«Holgas Auge», 2007 – Implodierende Bilder von Francisco Paco Carrascosa
Einzelausstellung, Fotografien, raum, Bern, 9. bis 30. März 2007:

Es sind drei ganz unterschiedliche Werkgruppen, die Francisco Paco Carrascosa in der aktuellen Ausstellung versammelt. Auf Anhieb würde man kaum vermuten, dass sie alle von demselben Künstler stammen. Doch wer sich auf diese Bilder einlässt, wird etwas Gemeinsames erkennen, das über die Erscheinungsform hinausgeht: eine latente Spannung, eine vibrierende Stimmung zwischen den Polen zart und aggressiv, warm und kalt, heiter und melancholisch.

Werkgruppe 1: Da sind erstens die so genannten «Pixelbilder»: Stark vergrösserte Reproduktionen von gedruckten Bildern, etwa Abbildungen von Hotelräumen aus Reisezeitschriften. Wer sich den grossformatigen Fotografien nähert, wird zunächst nur ein Feld voller farbiger Punkte und Flächen wahrnehmen. Erst bei längerer Betrachtung schält sich plötzlich das Motiv, meist stillebenartige Ansichten wie Tasse oder ein Tisch, heraus. Genau an der Grenze der Wiedererkennbarkeit balancierend, lassen diese Bilder die unterschiedlichsten Wahrnehmungsweisen zu und eröffnen dem Betrachter einen weiten Assoziationsraum, der von kunsthistorischen über wissenschaftliche bis hin zu philosophischen Spekulationen führen kann.

Werkgruppe 2: Während der Künstler diesen ersten Teil der Ausstellung als «öffentlich», also der Aussenwelt zugehörig, bezeichnet, entstammen die Bilder der zweiten Werkgruppe der privaten Sphäre. Es sind auf Reisen aufgenommene Ansichten, unspektakuläre Beobachtungen auf der Strasse, in der Landschaft oder in Innenräumen. Mit einer billigen chinesischen Kamera aufgenommen, sind diese Bilder alles andere als scharf und nicht selten verschwimmen die Motive an den Rändern. Doch es ist genau dieses Nicht-Perfekte, dieser nicht-kalkulierbare technische Zufall, das den Künstler interessiert. Umso wichtiger sind ihm die Stimmungen, die von diesen Bildern ausgehen und von der Ohnmacht des Menschen, seiner Zerbrechlichkeit, erzählen. Da ist in einem Bilderpaar die ganze Welt enthalten: links der dunkeltonige Torso einer mütterlichen Frau, rechts die grellscharfe Aufnahme eines Flugzeugflügels vor stahlblauem Himmel. Fast bedrohlich hingegen mutet die Nahaufnahme einer im Ödland liegenden transparenten Petflasche an, über die sich ein eigenartiger Lichtbogen wölbt. «Es kann ein Gedanke sein, oder auch ein Bild, das etwas in mir in Schwingung versetzt», versucht der Fotograf den Prozess der Bildfindung zu umschreiben. In solchen Momenten starte er, einem Flugzeug ähnlich, durch, ohne zu wissen, wohin die Reise geht. Einen Gegensatz zwischen bewusstem und unbewusstem Denken lässt Francisco Carrascosa aber nicht gelten. Beides bedinge und beeinflusse sich gegenseitig, lagere sich ab und werde in bestimmten Momenten aktiviert. Intuition sei nichts anderes als Latenz, ist der Künstler überzeugt und genau dieser Latenz ist er in seinen Bildern auf der Spur. «Eigentlich suche ich immer nach Bildern, die eine Kommunikation mit mir selber in Gang setzen. Bei einem wirklich guten Bild aber implodiert in einem bestimmten Moment die Kommunikation zwischen dem Bild und mir».

Werkgruppe 3: Um diesen «bewusstlosen» Zustand, dieses absolute Bild, zu erreichen, wagt sich der Künstler immer wieder aufs Glatteis. Kann man heute noch Blumenbilder machen, hat sich Carrascosa gefragt. Statt die Frage abstrakt mit ja oder nein zu beantworten, hat er es einfach versucht. Entstanden sind farblich betörende Nahaufnahmen von Blumen, die sich haarscharf an der Grenze zum Kitsch bewegen. Natürlich ist die Schönheit dieser Bilder gefährlich, doch in dem Mut, diese Grenze zu erkunden und vielleicht auch zu überschreiten, liegt das Künstlerische dieses Unterfangens.– Edith Krebs

Download PDF: Rede Theo Umhang, Ausstellungseröffnung «Holgas Auge»
Link: «weisser als weiss», 2007

Werkgruppe 1–3:
«Holgas Auge», 2007, © Francisco Paco Carrascosa
Alle Werke wurden eigens für dies Ausstellung geschaffen, aussser die Werkgruppe «weisser als weiss», 2007.

Werkgruppe 1: «weisser als weiss», 2007, 7 Bilder: Breakfast 80 x 60 cm; Espresso Tasse: 115 x 136 cm; Glas Wasser: 115 x 136cm; Frau am Lesen 1 & 2: je 80 x 109 cm; Sandalen / Stuhl blau: 50 x 51 cm

Werkgruppe 2: «Holgas Auge, 2007»: Alltag, 120 Bilder je 23 x 22 cm
«Holgas Auge», 2007: «Beach Soldier & Strandfundstücke», 5 Bilder: Glühbirne / Wasserflasche / Strandkrieger 1–3: je 39 x 39 cm

Werkgruppe 3: Blumenbilder, 2007, 4 Bilder: Blumen gelb, Blumen blau, Blume violett Nr. 1 & 2. Formate: 2x 110 x 73 cm, 2x 100 x 33 cm.

Bern:
Einzelausstellung, r a u m
Fotografien
9. bis 30. März 2007